Herzlich Willkommen in der Dreamfactory Vienna!

Herzlich Willkommen!

IM HERZ DER TRAUMFABRIK ...

Hier herrscht Mime, der König der Träume und all ihrer Würden. Ein langer Gang gespickt von spärlich flackernd kleinen Lichtern führt tief und tiefer unter den Berg. Im Herzen des Berges gelangen wir in den Tempel der Träume, in dem das Volk der Albe und Zwerge die Träume der Menschen bewacht. 

Doch Niemand darf in Mime's Schlafgemach vordringen, denn - natürlich - träumt der König aller Welten am liebsten alleine. Sein Traumvolk lässt ihn sodann in jeden Traum eindringen, den sie gerade bewachen. Doch niemand muss Angst vor dem Traumkörnig haben, denn am aller liebsten schaut er allein nur Kinderträume!

Erwachsene dürfen endlich alleine träumen, doch auch für SIE hat der König einige Schätze von seinen Reisen mitgebracht. Hier findet ihr einige Texte und Geschichten, die vielleicht den Großen besser gefallen, doch ein jeder sei herzlich eingeladen mit zu wandern!

Welten-Spiegel

Der Morgen war noch jung und die Sonne schielte gerade vorsichtig über den Horizont, da kam es, dass ihr erster Strahl ihr entrann. Ein Tautropfen, der in einer Blütenkrone weilte, fing den Strahl heimlich ein. Die Sonne hatte nichts gemerkt und der Lichtstrahl wusste nicht, dass er gefangen war. 

In dem Tautropfen geboren, erblickte der Sonnenstrahl zu aller erst den Himmel und er ward zum Himmel, gefangen im Bildnis eines schillernden Spiegels. Als die Sonne auf ihrem Lauf voran geschritten und der Tag lebendig geworden war, erblickte der Strahl ihr Antlitz hoch über sich und er ward zur Sonne. Die Luft ringsum wurde warm und das kleine Licht in dem Tropfen tänzelte sachte an dem Blütenblatt entlang. Sodann erblickte der Strahl zum ersten Mal die Pflanze, in der er beseelt worden war, und er ward zur Pflanze - gefangen in einem Tautropfen.

Das kleine Wasser glitt an dem zarten Gewächs hinab und benetzte einen Stein auf dem Boden. Da ward der Lichtstrahl zum Stein und ruhte mit ihm an den Wurzeln der Pflanze. Mit der Zeit zog die Sonne weiter und Hitze in den Stein. Da kam ein Kind des Weges und hob den Stein auf, um ihn sich zu besehen. Da erblickte das sanfte Licht das junge Kind und es ward zu dessen Ebenbild. Als sich darauf das Kind in dem Wassertropfen selbst erblickte und laut lachte, löste sich der Sonnenstrahl von dem Stein und flutete mit den anderen in den hellen Tag.


Das Auge der Zeit

Die Sterne verbergen sich, doch ich kann sie spüren. Um mich ist schwarzer Raum. Ich kann seine Grenzen nicht sehen, weiß nicht ob ich mich in ihm befinde, oder er sich in mir. Die Zeit erscheint wie ein Traum. Es ist meine Zeit, mein Traum - ich kann ihn beherrschen. 
Vor mir bildet sich ein Sturm. Aus dem Nichts - ein wilder Wirbel. Direkt vor meinen Augen dreht er schneller und schneller. Alle Kreise lang werden seine Schemen fester und verbinden sich. Wie ein Planet im Weltall ballt sich der Raum zusammen bis in der Leere nur mehr eine einzige Kugel aus wilder Energie rotiert. Mit jeder Umdrehung scheint sie zusehends flacher zu werden und ich beobachte wie sich ein einfacher Kreis fügt.
Während das Objekt stetig weiter kreist erscheinen plötzlich Ziffern. Langsam, eine nach der anderen, werden es immer mehr. Insgesamt sind es Zwölf an der Zahl, aber ich kann sie nicht lesen, denn sie sind in einer seltsamen und fremdartigen Feder gezeichnet. Sodann erscheinen in der Mitte zwei Pfeile und ich begreife, dass es sich um eine Uhr handelt. Sie schwebt vor mir im Raum und dreht sich immer weiter. Wie hypnotisiert starre ich auf das spinnende Zifferblatt. Die Zahlen drehen in die eine Richtung, doch die Zeiger rotieren in die andere!

Auf ein Mal wird mir schwindelig und instinktiv kneife ich die Augen zusammen. Alles verschwimmt und ich sehe im Drall der Uhr den Wirbel wieder, als ich wie von selbst einen gewaltigen Schritt nach Vorne tue. Es ist nur ein einziger Schritt, doch als hätte ich auf einem Katapult gestanden, transportiert er mich durch Welten und Zeiten mitten in die Uhr und hinein in das Auge der Zeit. Mit einem Mal beginne ich zu sehen. Ich stehe in der Allgegenwärtigkeit des Seins und es ist als würde ich meine Augen zum aller ersten Mal benützen. Ich erkenne alles in Harmonien, als einzigen Tanz der Kräfte und ich bin Teil davon. Gerade tut sich eine nie gekannte Freiheit in mir auf, da beginnt sich der Traum plötzlich aufzulösen. Die Gedanken nur mehr bloße Schemen verschwindet es im Nichts des All und ein Paar Augen öffnet sich. Ein Moment zeugt noch von zwei Perspektiven, dann löst sich alles auf. Ein neuer Tag hat begonnen. 

Wie jeden Tag saß der alte Mann im Garten und blickte durch die Spalten zwischen den Latten des alten Holzzauns. Der weiße Lack war schon von Rissen durchzogen und an mancher Stelle abgesplittert, doch er nahm die fahle Farbe kaum mehr wahr. Auch für die prächtig-purpurnen Rosenbüsche, die sich verspielt den Zaun entlang rankten waren seine trüben Augen blind geworden. Obgleich der Sommer schon über die Zeit hinaus geschritten war und der frühe Herbst seine farbenprächtige Herrschaft angetreten hatte trugen die Sträucher immer noch volle Blüte und standen wie Blutzeugen gegen den Hauch von Vergänglichkeit, der die bunten Blätter dich die Luft trieb. 
Doch der Alte konnte den Garten um sich herum schon lange nicht mehr sehen. Sein Blick ging stier durch die weißen Zaunpfähle hindurch und in den Augenwinkeln huschten ungesehene Schatten von der einen Lücke in die Nächste. In der Tiefe ihrer Finsternis bewahrte er eine lang vergrabene Gram. Vor ihm wehten einige Blätter hoch in die Luft, verharrten kurz tanzend über einer der Zaunspitzen und wirbelten weiter über die Straße. 

Der Wind treibt den bunten Blätterrausch den Weg hinunter und vorbei an einem Jungen von 12 Jahren. Verträumten Schrittes, doch wachen Geistes, blicken seine kindlichen Augen gleicherweise an dem zeitweiligen Spektakel vorbei, wie es eben noch die Alten getan haben. Der Trubel verschwindet unbemerkt hinter der nächsten Ecke, während der Wind beständig weiter weht. Doch das ist dem Kind egal, dass an diesem Tag beschwingt die Straße hinunter läuft. Der Kopf ist noch voll von den Träumen der vergangenen Nacht und aus seinem Gesicht strahlt der Glanz einer neuen Vision. 


Ganze Welten scheinen vergangen seit der alte Mann einst selbst noch dem Knabenmut und dem Sinn der Jugend gefrönt hat, doch Neid und Gier hatten ihr trübendes Licht auf Gaben und Geschick geworfen und schon bald traf ihn das Unvorhersehbare. Er hatte zu viel gelebt, zu intensiv. Er war unsterblich geworden und hatte dabei zu sterben begonnen. Reichtum und Ruhm, Geld, Macht und Frauen kreuzten seinen Weg und während das Schicksal sich noch wendete und windete wurde das Leben immer schneller und schneller. 
Durch seinen Lebenswandel waren winzig kleine genetische Defekte aktiviert worden, die sich von nichts anderem zu ernähren schienen - als Zeit. Erst waren es nur verschiedene kleine Leiden, doch bald schon musste er sich aus dem Geschäftsleben völlig zurückziehen. Es dauerte nicht lange und sein Geist verwelkte wie die Krone einer Blume im Spätsommer. Der Glanz war aus seinen Augen verschwunden, das Bewusstsein wer er einst gewesen war, verloren. Sein ganzes Leben - alles Schaffen - sein ureigener Traum vom eigenen Selbst, war erloschen wie eine Kerze im Wind. So sitzt er jeden Tag im Garten, den Blick direkt ins Leere gerichtet, als würden seine Augen der Natur des Nichts unverhohlen ein Bildnis zeugen. 

An diesem warmen Herbsttag spaziert ein Junge von 12 Jahren die Straße entlang. Mit beseeltem Schritt zieht er an den schmucken Gärten und prächtigen Villen vorüber. Er scheint die Umgebung kaum wahr zu nehmen, als er mit federndem Gang und einem Lächeln auf dem Gesicht um die Ecke biegt. Der Weg führt vorbei an weiteren reichen Häusern mit teuren Autos in den Einfahrten und entlang an einem alten Lattenzaun. Vollends in seine Gedanken versunken, bemerkt der junge Knabe nicht einmal den prächtigen Rosengarten, doch der Duft der verblühenden Zeugen einstiger Pracht lässt ihn kurz inne halten und verweilen. Seine Augen treffen die des alten Mannes und für einen Moment ist es, als sei jede Zeit vergangen und als teile sich zwischen ihren Blicken ein Traum. In stummen Verharren starren sie einander an und Leere kriecht in die Seele des Knaben ein. Obwohl ihm eben noch leicht und froh zu Mute war, fühlt er sich mit einem Male alt und verbraucht. In seinem Inneren breitet sich eine stählerne Kälte aus, als er den Kummer erblickt, der in dem alten Mann ruht wie ein stummer Pfand, der in der Dunkelheit vor sich hin träumt. Die Schatten können nicht schlafen, suchen ihren Herren, bitten ihn um Vergebung - bitten darum leben zu dürfen um sterben zu können. Doch der alte Mann kann an seiner Trauer nicht rühren und der kleine Junge kann zwar sehen, aber nichts sagen


Als sich an diesem Abend ein junges und ein altes Paar von Augen schließen, zittert für einen Moment ein linkes Lid und eine einzelne Träne löst sich. Wie eine feuchte Perle zieht sie eine glitzernde Spur über die rosige Backe und kurz schimmern zwei Perspektiven durch den lichten Bruch. Es ist nur ein winziger Augenblick - doch er genügt - und in dem Alten schlummert der Traum aus längst vergessener Zeit wieder hoch. Bevor beide im Schlaf versinken erblicken seine trüben Augen die Welt ein letztes Mal so, wie sie es einst als Kind getan hatten und eine zeitlose Reise findet ihr Ende, während der Knabe für immer weiter träumt. 

 

Im Schatten des Lichts

 

Die ersten Menschen hatten Nichts. Die Welt war noch frei und unbebaut und Bäume und Sträucher wucherten über Ebenen und Berge hinweg, so wie sich das junge Moos über den Felsen ausbreitet. 

Die ersten Menschen hatten Nichts - nichts, außer den Sternen. Jede Nacht, wenn sie ihre Augen schlossen stand ihnen der ganze Himmel offen und ihr Geist reiste im Wachen des Tages, so wie in den Träumen der Nacht mit dem ganzen Universum. So viele Sterne sie erblicken konnten, so viele Träume konnten sie auf ihrer nächtlichen Reise erhaschen und an jedem Morgen, wenn sie ihre Augen öffneten, wußte sie stets das Beste aus dem Tag und aus ihrer Welt zu machen. So kam es, dass sie begannen die ersten großen Bäume zu fällen und die ersten großen Bauwerke zu errichten und mit jeder Umdrehung wurde die Erde reicher an neuen Räumen, Bauten und Realitäten.

Egal, ob der Himmel voller Wolken war - und egal, ob nur unter einem Stern oder deren Vielen - immerzu waren sie fleißig und voll des Eifers und manchmal arbeiteten sie sogar bis tief In die Nacht hinein an ihrer schönen, neuen und "runden" Welt. Eines glücklichen Males geschah es, dass ihnen im Schlafe Sonne und Mond selbst träumten und sie baten die größten Baumeister unter den ersten Menschen zu ihnen zu reisen um ihnen auf Erden ein Denkmal zu errichten. Dieses sollte sie stets daran erinnern, dass ihre Heimstätte ihnen ein sicheres und gediegenes Bett gewähren werde, denn so lange der Planet sich drehen würde - so ihre Worte - wollten Sonne und Mond sie in ihrem Kräftespiel hin und her wiegen und einen jeden Menschen sanft in den neuen Tag schaukeln.

Die ersten Menschen vernahmen diese Worte und sie nahmen sie für ein Versprechen. Und so sollte es sein, dass zwei erfahrene Baumeister sich eines Nachts auf den Weg machten und zur Sonne und zum Mond aufbrachen um von dort Steine mit Heim zu bringen und ihren Gestirnen ein Ehrenmal auf Erden zu errichten. 

 

Zwei Türme sollten gebaut werden - einer auf jeder Seite der Erdkugel - und sie sollten bis hoch zu den Wolken gereichen, so dass sie selbst vom Himmel aus für alle Sterne des Universums sichtbar seien mögen. Die Steine, welche die Meister von ihrer Reise mitgebracht hatten waren die schönsten, die man je gesehen hatte: die einen waren so golden wie die Sonne selbst und ein jeder von ihnen alleine strahlte so hell wie ein ganzer Stern. Diejenigen, die aber vom Mond stammten, waren so silbern wie das Ebenbild seiner nächtlichen Scheibe am Himmel und ihr weißes Licht war genau so klar und rein.

 Doch hatte einer der Baumeister einen großen Fehler gemacht: Auf seiner Reise zum Mond überkamen den Meister große Ängste sein Bauwerk könnte im Glanz des Sonnenturms verblassen und so stahl er heimlich einen Stern vom Himmel und setzte ihn ganz oben auf seinen Turm. 

 Und so geschah es, dass die zwei prächtigsten Bauwerke im ganzen Universum errichtet wurden und alle Menschen wußten zu jeder Zeit, dass Sonne und Mond bis in alle Ewigkeit über sie wachen würden. Doch mit diesem Zeitpunkt waren auch der Wettbewerb und die Eifersucht über die Welt gekommen und die Menschen begannen zum allerersten Male sich gegenseitig in ihren Baukünsten übertreffen zu wollen.

Zeiten vergingen und Sonne und Mond drehten viele Äonen lang ihre Runden, als nach Tausenden von Jahren die Erde voller Bauten geworden war und beinahe unter ihnen verschwunden zu sein schien. Eines war prächtiger als das andere  und ein jedes glänzte des Tages unter der Sonne und erstrahlte des Nachts in abertausenden von kleinen Lichtern und sie leuchteten fast heller, als der Mond selbst es vermochte. Und so kam es, dass die Kinder der ersten Menschen von Generation zu Generation immer weniger Sterne erblickten; aber keines ihrer Gebäude reichte jemals an die Höhe der zwei Türme heran und so leuchteten diese zwei Ehrenmale des Tages und der Nacht stets über die gesamte Welt hinweg - das eine auf der einen Seite im Licht der Sonne, das andere auf der Anderen im Lichte des Mondes. 

Doch mit den Jahren und Gezeiten hatte der Stern auf der Spitze des Mondturms in seinem goldenen Glanz die hellen Steine ausgebrannt und verfinstert und ein eigenartiger Beschlag hatte sich auf den weißen Stein gelegt - ähnlich, wie sich der Rost grün über die kupferne Kuppel ausbreitet - oder so, wie das dunkle Moos über den Fels wuchert. 

Als das Leuchten der Steine eines Tages schließlich vollends erloschen war - so kam es - dass von einem Moment auf den anderen der Turm in sich zusammenstürzte und den einst vom Himmel gestohlenen Stern unter seinen Trümmern begrub. 

Und so, wie sein Licht an diesem Tag erlosch, starb in den Kindern der ersten Menschen jede Erinnerung an ihre Väter, deren Abstammung, das Universum und unser aller Herkunft. 

 

Der Geist des Propheten

Ein Wanderer unter den Sternen. Sein Lauf verwindet sich in der Weite des Erdkreises. Der Rhythmus seines Schrittes - gelenkt von seinen Träumen - eine Stoßkomposition in Lichtpoesie unter dem Himmelszelt, lenkt in höher und höher. Er folgt den Geistern der Berge, ihren Lüften und Winden, wie sie um die Ecken und Kanten des schroffen Felsengebirges zu Spitzen der Anden pfeifen. Wie die Zinnen einer Burg, nur ungleich gefährlicher, stechen sie scharf und spitz in die Wolken. Fast wie ein Zauberstab tunken sie ein in das riesige Himmelsmeer und sammeln seine Wasser, die zu einem dichten Nebel um ihre graue, steinerne Krone zusammen ziehen. 

Der Weg ist beschwerlich und hart, doch Schritt für Schritt steigt der Mann höher den Berg hinauf. Der eine oder andere Geist mag über ihn kommen und ihn mit einer Idee beglücken, doch nur manch wenige Winde bringen ihn dazu für einen Moment inne zu halten und über das Leben nach zu sinnen oder der Natur zu lauschen.

Die Luft um ihn wird dünner und dünner, die Winde werden schneller. Den Blick fest auf den Gipfel gerichtet, stößt der Atem flach im Rhythmus seines Trittes, doch der Geist hält die Stellung. 

Im trügerischen Licht der tief stehenden Sonne glänzen die Bergketten in der Ferne wie pures Gold und verlocken dazu ewig weiter zu wandern. Purpur und golden thronen Mime's Träume auf den Türmen der Berge und scheinen mit jedem Atemzug noch anzuwachsen. Neue Kraft überkommt den Mann und ihm scheint, er könne alle ihre Gipfel erwandern - so lange - bis er Mime, den Herrn der Träume und König unter den Bergen endlich gefunden haben wird. 

Doch auf dem Gipfel angekommen, ist die Spitze leer ... ... ... 


Die Brücke

Wie ein Rinnsal im Urinal zieht sich der Strom durch die Stadt. Manchmal windet er sich um die eine oder andere Ecke, dann verschwindet er wieder unter dem grauen Betondeckel der städtischen Ebenen. Das Tosen des Verkehrs verdammt den grauen Fluss ungehört in seinem engen Bett dahin zu flüstern und doch zieht der stille Strom die Blicke der Vorübereilenden in seinen Bann. Eines abends treibt ein schwarzer Punkt auf den dunklen Wassern durch die Stadt. Wäre es für einen Moment lang leise genug, so hätte man ein feines Wimmern hören können. Mitten in den januar-kalten Fluten treibt ein winzig kleines Körbchen mit einem Kind darin. Eine junge Obdachlose hat es am Abend zuvor in einer Bahnhofstoilette unweit des Flusses zur Welt gebracht. Nachdem sie die Qualen der Geburt alleine durchgestanden hatte, war ihr in ihrer Ohnmacht wieder die Geschichte von Moses in den Sinn gekommen und kurzerhand hatte sie ihr Baby in einen kleinen Korb gelegt und den Fluss hinunter geschickt. Das zitternde kleine Bündel musste fast einen ganzen Tag lang in den eisigen Wassern dahintreiben bis endlich ein Passant auf das Gewimmer aufmerksam wurde. Es dauerte nicht lange bis die guten Menschen das Kindlein aus dem Körbchen geborgen hatten und bald darauf war auch schon ein gutes zu Hause für das feine Geschöpf gefunden. 

Viele Jahre vergingen und das kleine Wesen wurde erwachsen. Eines Tages führte die Fügung es an dem alten Bahnhof vorbei, in dem es damals zum aller ersten Mal seine Augen geöffnet hatte. Eine seltsame Stimmung befällt es mit einem Mal und aus keinem bestimmten Grund heraus beschießt es plötzlich eine Weile an dem grauen Fluss entlang zu spazieren, der direkt hinter dem Bahnhof vorbei fließt. Die Augen gleiten über die stummen Fluten und jeder Schritt begräbt unter sich eine gesamte Welt. Die Beine leicht wie Federn, spaziert es immer weiter und weiter und die Gedanken eines ganzen Lebens spielen in der Seele wie Ebbe und Flut mit dem Meer. Nie hatten die lieben Menschen dem geretteten Kinde von seiner bitteren Geschichte erzählt, doch ließ sich der Verlust von Herkunft und Wurzeln nicht tot schweigen. Irgendwo zwischen Beruf und Berufung treffen immer wieder Enttäuschung und Weltschmerz aufeinander und verlangen lautstark danach in einem Allsinn zusammengeführt zu werden, auf dass sich Wut endlich in Mut verwandeln möge. 

Viele Brücken führen über den grauen Fluss, doch nur eine verleitet zum Stehenblieben und den Strom zu überqueren. Als der junge Mensch über die alte Brücke geht kommen Gedanken zur Reife und Klarheit, die unausgesprochen ein ganzes Leben in seiner Seele herumgeflogen sind. Mitten auf der Brücke verweilt er. Ein uralter Apfelbaum steht hier wie zum Andenken an frühere Zeiten. Vielleicht  ist es sogar der einzige Apfelbaum der ganzen Stadt, denn die Häuser wurden einst um das Wasser herum gebaut. 

Gefangen im Zwiespalt zwischen Eigenverantwortung und Gesellschaftspflichten verschiebt sich der innere Traum auf eine einsame Insel, fern von allen Weltmeeren und Ländern mitsamt ihrer Bewohner und Reisenden. 

        

Der Blick fällt auf einen Apfel, der neben dem Baum am Boden liegt. Auch wenn man die Nähe zum Stamm manchmal verloren hat und nicht mehr oben an der Sonne zu Hause ist, so ist man doch nicht anders als alle anderen Äpfel und begegnet in ihrer Natur dem eigenen Wesen wieder: man ist auch dann nicht alleine, wenn man neben dem Baum gefallen frei am Boden schlafen muss.


Erlösung'S  Tod 

Es kam einst, dass ein redlicher und ehrenwerter Mann unverschuldet in großes Unglück geraten war. Vor langer Zeit, als er noch jung und sehr verliebt gewesen war, kaufte er von einer seltsamen Alten in einer Gaststätte einen prächtig verzierten kleinen Spiegel. Er wollte ihn seiner liebreizenden Braut schenken, doch als er ihn seiner Liebsten überreichte und sie voll Freude hineinblickte, erstarrte ihr Lächeln und sie ward zu Glas. Der Mann schrie vor Schreck laut auf, woraufhin seine wunderschöne junge Braut in Abertausende Stücke zersprang. Von diesem Tage an plagte ihn die Last einer untilgbaren Schuld und er zog fort in ferne Fremde. 

Sein Leben lang wanderte er durch die Lande, als er eines Tages in die Wolken schaute und im Himmel ein Schwert erblickte. So folgte er der Richtung, die das Schwert ihm wies. Für Ewigkeiten ging er in die gewiesene Richtung, doch für ihn selbst war es nur wie ein einziger Augenblick. Auf seinem Weg erkannte er in seinem Schritt sich selbst wieder und begann sich als Ganzes zu verstehen. Er erkannte, dass er als einzelner Mann nur einen der Milliarden Wege des Schöpfers entlangging und dass er mit jedem gesetzten Schritt einen Schritt des Schöpfers tat. So wanderte er fort und fort und das Schwert in den Wolken über ihm wies den Weg. Doch die Last der Schuld blieb und wanderte immerzu mit ihm. 

Es kam der Tag, da waren seine Füße so müde, dass er keinen Schritt mehr tun wollte, und er ließ sich am Ufer eines kleinen Sees nieder, um zu rasten. Während er so daniederlag, dachte er zum ersten Mal in seinem Leben über das Vergessen nach. Er fragte sich, wer über die Schöpfung und ihre Fügung wachte und welche Meinung solch ein Wächter wohl von einem Mann wie ihm hätte. Da erkannte er, dass es ohne wohlwollende Führung keine Fügung gäbe und dass ein Wächter existieren müsse. 

Da fiel es ihm auf einmal wie Schuppen von den Augen, dass er selbst nichts anderes als Wächter der Schöpfung war und nie etwas anderes sein könnte. Seit jeher hatte er über sich selbst und andere gewacht und die Wege des Lebens geschützt. In diesem Moment erkannte der Mann, dass er von Dutzenden und Aberdutzenden von Wächtern umgeben war - ja Milliarden von ihnen fügten die Schöpfung in jedem Baum, jeder Blume, jeder Biene und jedem Stein. 

So er dies dachte, fiel auf einmal das Wolkenschwert vom Himmel und landete direkt vor ihm auf dem Wasser. Erstaunt richtete er sich auf und ging zum Ufer des kleinen Sees. Er traute seinen Augen nicht, doch das Schwert lag tatsächlich da und glänzte weiß-silbern im Sonnenlicht. Sofort legte er all seine Kleider ab, stieg in den kühlen See und watete auf das Schwert zu. Es war noch da, als er zu der Stelle kam, und er ergriff es mit seiner Hand. Das Sonnenlicht glänzte auf der scharfen Klinge und während er sie betrachtete, war ihm als würde ein Raunen über das Wasser gleiten und schlagartig begriff er die Bürde des Paradieses. In der Schneide des Schwertes spiegelten sich der Wald und das Ufer des Sees wieder. Er blickte tiefer hinein und sah sich selbst im Garten Eden stehen. Doch in seinem Geist formte sich ein Gedanke, in dem sich das Geschenk ewiger Glückseligkeit im Fluch des Vergessens wieder zu spiegeln begann. Mit einem Mal verstand er seine Schuld gegenüber der Schöpfung und ward im selben Moment frei von jeder Schuld. Da begann seine Seele zu träumen und sein Geist reiste mit den Wolken. Das Schwert in seiner Hand würde den, der durch seine Schneide starb direkt ins Paradies geleiten, jedoch denjenigen, der mit dieser Klinge tötete, würde der Fluch des Vergessens treffen und seine Seele würde ohne einen Geist heimkehren. 


Als er dies verstanden hatte, hob er das Schwert, denn es war nichts anderes als das zu Stahl gewordene Schwert des Geistes, und richtete es gegen sich selbst. Sein Körper und das Schwert zerfielen augenblicklich im Wasser, und seine Seele fügte sich mit allen anderen in den unendlichen Alltraum. 

Die besorgte Bakterie & Die künstliche Kalorie 

Es war einmal ein Genkomplex, der wollte gerne Kinder haben. Doch er war schon perfekt, also war es schwierig die richtige Frau zu finden. Mit der Zeit war er so verzweifelt, dass er nicht einmal mehr wußte, wo er zu Hause war. Da beschloss er einen Arzt aufzusuchen und sich einfach klonen zu lassen. Bald daraufhin bekam er zwei Töchter. Genauer gesagt zwei Einzeller, denn es waren Zwillinge. Nur leider war eine von beiden eine Bakterie, während die andere eine Kalorie war!

Die Erziehung war denkbar schwierig. Bakterie blieb den ganzen Tag besorgt, ganz gleich was Kalorie auch probierte um sie aufzuheitern. Als Genkomplex konnte der Vater den grundlegenden Unterschied zwischen seinen Sprösslingen auch nicht nur im Allergeringsten nachvollziehen und mit der Zeit legte Kalorie ein ungewollt künstliches Verhalten an den Tag, während Bakterie stets übertrieben ernst war. 

Bildquelle: www.hno-vahle.de

Als beide Mädchen schließlich erwachsen waren versuchte ihr Vater sie möglichst gut zu vermählen, doch kein Mann schaffte es sich zwischen den beiden zu entscheiden. So unterschiedlich beide Töchter auch waren, wollte lange Zeit niemand zwischen ihnen wählen und zu guter Letzt verzweifelte sogar die fröhliche Kalorie. Doch eines Tages kam endlich ein strahlender Ritter in weißem Kittel, der in Bakterie ein verborgenes Potential erkannte und sie zu seiner Frau machte. Von diesem Tag an schöpfte auch die arme Kalorie wieder neue Hoffnung und heute ist sie die glückliche Frau eines schlanken Investment-Bankers.


TO BE CONTINUED  ...